Die ehemalige Habsburg-Wirtin Rösle Mathis trifft den ehemaligen Gast Sevki Ünal.
Die Feier zum 50-Jahre-Jubiläum „Anwerbeabkommen“, die zu einem gelungenen Fest am Schlossplatz wurde, führte zu einem interessanten Gespräch mit der ehemaligen Wirtin und Besitzerin des Gasthofs Habsburg, in dem sie aus der Zeit erzählte, als die ersten „Gastarbeiter“ in Hohenems ankamen.
Im Jahre 1967 fragten türkische Arbeiter erstmals in der Habsburg an, ob sie ein Mittagessen bekommen könnten. Schnell wurde ihr Gasthaus ein fixer Treffpunkt. Rosi, wie sie von allen genannt wurde, bekam Symbolcharakter für gutes Essen und Gastfreundschaft. Da die neuen Gäste kein Schweinefleisch aßen, stellte sie den Menüplan entsprechend um. Sie schaffte sich einen Grill an und grillte am Sonntagmorgen jeweils vier Hühner und stellte sie zum Warmhalten ins Rohr und grillte die nächsten vier Hühner. Gegen 11 Uhr kamen schon die ersten Gäste mit Zügen aus Feldkirch und Bregenz und bildeten eine geduldige Warteschlange. Einige saßen auch gegenüber dem Gasthaus auf dem Mäuerchen der Hauptschule. „Sie waren durchwegs ruhige, höfliche und dankbare Gäste“, zeigt sich Rösle Mathis heute noch beeindruckt. Im Fastenmonat Ramadan gab es erst nach Sonnenuntergang etwas zu essen. Fiel die Fastenzeit in den Hochsommer, war die Bewirtung erst sehr spät am Abend möglich. „Das war schon sehr anstrengend“, so Mathis. Doch sie bewunderte die Männer, die den ganzen Tag arbeiteten ohne zu trinken und zu essen.
Durch den Umgang mit den türkischen Gästen erarbeitete sich Rösle Mathis einen kleinen türkischen Wortschatz, der ihr heute noch geläufig ist. In den 70er-Jahren kamen auch viele Verwandte und Bekannte, die in Deutschland arbeiteten, auf Besuch in „Rosis“ Gasthaus. Rückläufig wurden die Gästezahlen in den 80er-Jahren, da die Familien aus der Türkei nachzogen und zudem türkische Lokale öffneten. Rösle Mathis ging 1992 in Pension, womit dann auch dieser Abschnitt der Migrationsgeschichte endete.
Ersan und Sevki Ünal
Ersan Ünal, ein Hohenemser mit türkischen Wurzeln und Mitarbeiter im Integrationsrat, erinnerte sich, dass sein Vater Sevki Ünal „Rosi“ gut kannte und dass auch er als Kind mit seinem Vater bei Rosi Grillhühner holte. Anlässlich eines Besuchs von Sevki Ünal in Hohenems kam es zu einem Wiedersehen in der Habsburg. Rösle Mathis und Sevki Ünal freuten sich sehr, sich wieder zu begegnen und schwelgten sogleich in Erinnerungen. Sevki Ünal lebte als junger Mann mit seiner noch kleinen Familie in Ayancık am Schwarzen Meer mit ähnlichem Klima und vergleichbarer Vegetation wie in Vorarlberg. Verwandte arbeiteten und lebten schon seit 1967 in Hohenems und nahmen ihn im Herbst 1969 probeweise mit. Da er keinen Job fand, fuhr er enttäuscht wieder nach Hause. Im Juni 1971 startete er mit einem Freund einen zweiten Versuch. Am Montag, dem 6. Juni, begann er bei der Firma Collini als Schleifer zu arbeiten. Unterkunft erhielt er im Collini-Haus in der Theodor-Körner-Straße 3a. Die Wohnung bestand aus vier Zimmern mit jeweils vier Stockbetten. Im Sommer 1974 holte er seine Frau Saziye und zwei von seinen drei Kindern nach Hohenems. Die älteste schulpflichtige Tochter blieb noch zwei Jahre bei ihrer Großmutter in der Türkei. Der Familie wurde von Collini eine Wohnung in der Jakob-Hannibal-Straße 22a zugeteilt. Ersan, das vierte Kind, kam in Hohenems auf die Welt und in den kommenden Jahren drei weitere Kinder. Die Familie lebte in der Collini-Wohnung bis zur Pensionierung des Vaters im Jahre 2005. Sevgi Ünal berichtet stolz, dass die Firma Collini sein einziger Arbeitgeber war, bei dem er durchgehend gearbeitet hatte. Nach der Pensionierung kehrte er mit seiner Frau und einer Tochter ans Schwarze Meer zurück, kommt aber jedes Jahr einige Male nach Hohenems und besucht seinen Sohn Ersan, der ebenfalls bei Collini beschäftigt ist, und zwar als Logistik-Disponent. Fünf seiner Kinder leben in Vorarlberg, eine Tochter in Deutschland. Er freut sich jedes Mal auf Hohenems, seine Familie, auf Freunde und Bekannten. War doch Hohenems für viele Jahre sein Lebensmittelpunk und wurde ihm zu einem Stück Heimat.
Bild: Ersan und Sevki Ünal mit Rösle Mathis in der Habsburg
Bild und Beitrag von Regierungsrätin Agnes Jäger, AG Medien [zusammen leben]
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