Kreuz und Halbmond…..

20.000 Flüchtlinge seien vergangenes Wochenende in München angekommen, erklärt Dr. Andreas Renz. 60% von ihnen sind Muslime. Eine Tatsache, die eine große Herausforderung mit sich bringt, vielen Angst macht und die vor Augen führt, wie wichtig eine Begegnung auf Augenhöhe und ein gutes Miteinander ist – auch über Religionen hinweg. „Kreuz und Halbmond. Islam und Christentum heute“ war deshalb Thema des diesjährigen Herbstsymposions im Bildungshaus St. Arbogast, bei dem sich 180 TeilnehmerInnen dem Dialog widmeten. Und zuhörten.

Zugegeben – für westliche Ohren klingt es eigenartig, wenn Dr. Mahmoud Abdallah auf arabisch aus dem Koran rezitiert. Auch wenn er wenig später die deutsche Übersetzung nachliefert. Der Theologe lehrt am Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Tübingen – und gab den TeilnehmerInnen beim Herbstsymposion einen Einblick, wie der Islam und die religiös-plurale Gesellschaft zusammen passen (können). Ausgestattet mit jeden Mengen Versen aus Suren, also Abschnitten des Korans, zeigte er, wie heterogenitätsfähig der Islam ist: „Und unter Seinen Zeichen ist die Schöpfung der Himmel und der Erde und die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben. Darin sind Zeichen für die Wissenden.“ (Koran 30:22)

Die Glaubensfreiheit
Über 150 Koranverse nehmen Bezug auf die Glaubensfreiheit, siedelt Dr. Abdallah diese in Bezug auf die Relevanz auf Platz vier nach dem Recht auf Leben, Würde und körperliche Unversehrtheit an. “Es gibt keinen Zwang im Glauben“, beginnt der Vers 256 aus Sure 2 – und erwähnt dabei wörtlich nicht nur den Islam, sondern auch das Judentum und das Christentum. Natürlich sei die Glaubensfreiheit aber nicht nur auf diese drei Religionen beschränkt, erläutert Abdallah. Der erste Schritt für das Zusammenleben mit anderen Religionen sei immer die Anerkennung. An der mangelte es aber nicht nur immer wieder im Laufe der Geschichte – auch heute haben die Religionen bzw. ihre VertreterInnen mit Anfeindungen und Vorurteilen zu kämpfen.

Das Missverständnis und der Schwertvers
Als Beispiel für einen missverstandenen Koranvers nannte der islamische Theologe die Sure 9:5, die in der Öffentlichkeit als Schwertvers bekannt ist und als juristische Begründung für den Dschihad herangezogen wurde: „Und wenn nun die Schutzmonate abgelaufen sind, dann tötet die Götzdiener, wo immer ihr sie findet, belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf! Wenn sie aber bereuen, das Gebet verrichten und die Abgabe entrichten dann lasst sie ihres Weges ziehen!“ Der Vers müsse im ganzen Kontext – also mit den Versen 9:4 und 9:6 – verstanden werden, so Abdallah, dann werde auch klar, dass Muslime laut dem Koran erst kämpfen bzw. in diesem Fall sich im Maße verteidigen dürfen oder sollen, wenn sie angegriffen werden. Oder kurz: Reagieren statt agieren.

Neben dem Kontext gebe es oftmals auch ein sprachliches Problem, versuchte der Theologe Einblick in die Sprachwissenschaft zu geben. Durch das missverständiche Interpretieren eines Falles werde aus dem Befehl sich zu verteidigen schnell ein Befehl zu töten. Und nicht zuletzt bergen auch die klassischen Werke Konfliktmaterial. „Einige klassische Quellen sind im Kontext und unter anderen Umständen geschrieben und sollten überarbeitet werden“, stellte Abdallah klar.

Sein Fazit:
Reine Toleranz, also einander zu dulden,  sei nicht genug, statt dessen fordert er Anerkennung ein. Pluralität sei ein islamisches Gebot und ein Zeichen Gottes, die religiöse Überzeugung keine Rechtfertigung für Verfeindung. Das Zusammenleben der Kulturen und Religionen sei weiters unabdingbar. Ein Faktum, das der Islam schon lange anerkannt und dafür Konzepte geliefert habe. Und: der Dialog sei das Mittel um die „Perlen des Anderen“ zu entdecken.

Kirche und Islam?
Eine Annäherung aus der christlichen Perspektive an das Thema Dialog „katholische Kirche und Islam“ wagte der deutsche Theologe Dr. Andreas Renz. Seine Überlegungen führten ihn vom 15. Jahrundert bis ins heute – vom  Konzil zu Florenz (1442) über die Enzyklika „Ecclesiam suam“ von Papst Paul VI. und die Kirchenkonstitution „Lumen Gentium“ bis zu hin zu „Nostra aetate“  und „Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus – Ereignisse, die die Gesprächsbereitschaft seitens des Christentums belegen. Immer wieder habe es Bemühungen für einen Dialog zwischen dem Islam und dem Christentum gegeben, sind sich Renz und Abdallah einig. Und zwar von beiden Seiten. Politischer Druck und die Tatsache, dass Dialog „nie im luftleeren Raum“ stattfinde, habe die Gespräche aber immer wieder (fast) zum Erliegen gebracht.

Auch Bischof Benno Elbs zeigte in seinen Begrüßung auf, dass die Katholische Kirche Vorarlberg immer wieder den interreligiösen Dialog gesucht habe und dank den Bemühungen der 2013 verstorbenen Islambeauftragten Elisabeth Dörler eine Vorreiterstelle einnehme. Das gute Miteinanander habe eine lange Tradition – blicke man nur auf den islamischen Friedhof in Altach, die Imame-Ausbildung anlässlich derer Muslime auch Bischof Benno Elbs und den Dom in Feldkirch besuchten, die zahlreichen Einladungen zum Fastenbrechen oder die von Elbs initiierte Plattform „Religionen für den Frieden“.

„Die Kirche muß zu einem Dialog mit der Welt kommen, in der sie nun einmal lebt“, hielt bereits Papst Paul VI in der Enzyklika „Ecclesiam suam“ fest und bereitet damit mit den Weg für einen gemeinsamen Dialog. Und auch in Nostra Aetate (1965) wird die Haltung gegenüber den Muslimen thematisiert – nämlich eine, die von Hochachtung und Wertschätzung geprägt sein soll. Auch das Zweite Vatikanische Konzil wollte auf Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen hinweisen, so Renz. Die Geschichte zeigt, dass politische Faktoren immer wieder zu Rückschlägen führten, „die den Dialog belasteten und ihn in Frage stellten, ihn gleichzeitig aber umso notwendiger machten“.  Die Angst verstärkte sich und manifestierte sich in Feindbildern, gleichzeitig signalisierte auch die islamische Welt Gesprächsbereitschaft – beispielsweise mit dem muslimischen Dialogangebot „A common word“ (2007), das zeigte „Unser Gott ist einer“.

In den Kaffeepausen, Fragerunden und Dialogforen wurde dann vor allem eines klar: Das Thema lässt niemanden kalt. Hitzige Diskussionen rund um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Christentum und Islam belebten insbesondere den Nachmittag – für einen kulturellen Input sorgte der Musiker Aydin Balli, der mit der Langhalslaute „Saz“ und anderen Musikinstrumenten ein Stück Orient nach Arbogast zauberte.

Von Simone Rinner veröffentlicht am 07.09.2015

Schreibe einen Kommentar